E-Fuels: Wie sinnvoll sind synthetische Kraftstoffe? (2024)

E-Fuels: Wie sinnvoll sind synthetische Kraftstoffe? (1)

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Stand: 13.03.2023 08:20 Uhr

Nachdem die Abstimmung über das Verbrenner-Aus ab 2035 verschoben worden ist, geht die Debatte über Ausnahmen für synthetische Kraftstoffe weiter. Wo liegen Chancen und wo Nachteile der E-Fuels?

Von Melanie Böff, tagesschau.de

Eigentlich hätten die EU-Staaten Anfang März über das Verbot neuer Autos mit Verbrennungsmotor ab 2035 entscheiden sollen - doch daraus wurde nichts: Unter anderem Deutschland drohte mit seinem Veto. Denn Bundesverkehrsminister Volker Wissing, FDP, ist mit der Vorlage aus Brüssel unzufrieden: Seiner Meinung nach ist sie nicht technologieoffen genug. Synthetische Kraftstoffe, sogenannte E-Fuels, würden nicht ausreichend berücksichtigt. Auch Länder wie Italien, Polen und Bulgarien wollen den Plänen so nicht zustimmen.

Das EU-Parlament und die Mitgliedstaaten hatten sich im Oktober grundsätzlich darauf geeinigt, dass ab 2035 nur noch Fahrzeuge neu zugelassen werden sollen, die kein CO2 mehr ausstoßen. Auf Drängen Deutschlands soll die EU nun prüfen, ob und wie synthetische Kraftstoffe auch künftig eingesetzt werden können. Doch wie sinnvoll ist der Einsatz von E-Fuels überhaupt?

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Was sind E-Fuels?

E-Fuels, kurz für das englische Wort electrofuels, sind synthetische Kraftstoffe, mit denen Vebrennungsmotoren laufen können. Sie werden mithilfe von Strom aus Wasser und CO2 hergestellt. Diesen Prozess nennt man "Power-to-X" - aus Strom kann dabei wahlweise E-Benzin, E-Diesel oder E-Kerosin entstehen. Wird Ökostrom genutzt und das benötigte CO2 aus der Atmosphäre gewonnen, sind E-Fuels theoretisch klimaneutral einsetzbar.

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Wer setzt schon jetzt auf E-Fuels?

Bisher gibt es kleinere Pilotanlagen für die Forschung und Entwicklung von E-Fuels. Führend dabei ist die TU Bergakademie Freiberg in Sachsen. Im emsländischen Werlte in Niedersachsen etwa wird an CO2-neutralem Kerosin getüftelt.

Von den deutschen Autobauern setzt vor allem Porsche auf E-Fuels. Gemeinsam mit Siemens hat sich der Stuttgarter Autobauer an einer Fabrik zur Herstellung von E-Fuels in Chile beteiligt. Der Standort ist für die Herstellung gut geeignet, denn der Süden des Landes gilt als windreich. Nach Ansicht des Sportwagenherstellers ließen sich mit E-Fuels künftig bis zu 90 Prozent der fossilen CO2-Emissionen im Verbrenner reduzieren. Auch die Formel 1 setzt auf diesen Kraftstoff, ab 2026 dürfen nur noch E-Fuels eingesetzt werden.

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Wie teuer sind E-Fuels?

Im Moment ist die Herstellung von synthetischen Kraftstoffen noch aufwändig und teuer.Für den ADAC scheint ein Preis von weniger als zwei Euro pro Liter aber machbar. Dafür spreche einerseits, dass die Produktionskosten für regenerativen Strom fallen, und andererseits eine hochfahrende Massenherstellung die E-Fuels günstiger werden ließe.

Der Interessensverband "eFuel-Alliance" prognostiziert, dass die Herstellungskosten im Jahre 2050 bei unter einem Euro liegen werden - unter der Voraussetzung, dass die synthetischen Kraftstoffe in der industriellen Großproduktion hergestellt werden.

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Was sagen die Kritiker?

Der Einsatz von E-Fuels ist energieintensiv. Sie benötigten etwa fünf bis sechs mal so viel Strom wie ein batterieelektrisches Fahrzeug für dieselbe Fahrleistung, schreibt Falko Ueckerdt vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung auf Anfrage von tagesschau.de. E-Fuels hätten dafür den Vorteil, dass man sie weltweit an Standorten mit hohem erneuerbarem Potenzial produzieren und dann verschiffen könne. Ueckerdt aber findet: "Das kann den Effizienznachteil jedoch nicht aufwiegen."

Auch der ADAC spricht von hohen Wirkungsverlusten. Von der im Prozess eingesetzten Energie blieben in der "Well-to-Wheel"-Betrachtung am Ende nur zehn bis 15 Prozent übrig, schreibt der Verkehrsclub. Zum Vergleich kämen beim Elektroauto 70 bis 80 Prozent der Ausgangsenergie am Rad an.

Ulf Neuling, Projektleiter Kraftstoffe beim Thinktank Agora Verkehrswende, sieht die Zukunft von E-Fuels neben der Seeschifffahrt vor allem im E-Kerosin für den Luftverkehr, weil dort insbesondere auf Langstrecken keine Alternative absehbar sei. "Statt E-Fuels in andere Märkte zu drängen, wo bereits überlegene emissionsfreie Alternativen zur Verfügung stehen, sollten Wirtschaft und Politik ihre Ambitionen vor allem auf den Luftverkehr konzentrieren", fordert Neuling.

Was sagen Befürworter von E-Fuels?

Die Initiative "eFuel Alliance" stellt heraus, dass sich E-Fuels zu herkömmlichen Kraft- und Brennstoffen beimischen ließen und diese vollständig ersetzen könnten. Weiter führt die Initiative an, dass die heutzutage vorhandenen Flugzeuge, Schiffe und die mehr als 1,3 Milliarden Fahrzeuge auch in Zukunft weiterhin genutzt werden könnten - ohne Umrüstung und klimaneutral.

Außerdem könnte zum Tanken theoretisch das bisherige Tankstellen-Netz genutzt werden. Das könnte eine Entlastung sein, wenn der Ausbau der Ladeinfrastruktur nicht schnell genug voran ginge.

Zu den Befürwortern gehört auch die Mittelständische Energiewirtschaft Deutschland (MEW): Sie ist Stimme der Mineralöl- und Energiewirtschaft. Beim Thema Wirkungsgrad argumentiert die Interessensvertretung, dass nicht nur betrachtet werden dürfe, wie viel Energie die einzelne Fahrt verbrauche. Es gehe auch darum, "wie viel Energie (nicht nur Strom, sondern alle Energieformen) benötigt wird und wie viel CO2 ein Fahrzeug von seiner Herstellung über die Fahrleistung bis zum Recycling verursacht." Ziehe man das in Betrachtung, schnitten E-Fuels ähnlich gut oder sogar besser ab als andere Technologien.

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Dabei bezieht sich die MEW auf eine Studie des Beratungsunternehmens Frontier Economics von 2020. In der Untersuchung im Auftrag des Mineralölwirtschaftsverbands und des Bundesverbands mittelständischer Mineralölunternehmer lag der Fokus auf der gesamtwirtschaftlichen Energieeffizienz der verschiedenen Antriebe.

Die Studienautoren argumentieren, dass die in "bisherigen konventionellen Analysen ausgewiesene Effizienz der Nutzung von Ökostrom" in batteriebetriebenen Fahrzeugen tatsächlich viel geringer sei. Knackpunkt: Die Studie kalkuliert die Unterschiede von etwa Wind- und Solaranlagen je nach ihrem Standort mit ein. So seien batterieelektrische Fahrzeuge weitgehend auf die weniger effiziente Stromerzeugung im Inland angewiesen, während E-Fuels mit importiertem Wasserstoff hergestellt werden könnten, der im Ausland mit höheren Stromerträgen produziert worden sei.

Ziehe man diesen Faktor mit in Betracht, schmelze der Effizienzvorteil des batterieelektrischen Antriebs dahin: Während bisherige Analysen von 70 Prozent Energieeffizienz ausgingen, liege sie bei der gesamtheitlichen Analyse der Studie nur noch bei 13 bis 16 Prozent.

Sarah Bötscher, MDR, 03.03.2023 16:16 Uhr
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Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR aktuell am 8. März 2023 um 21:50 Uhr.

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